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  • Handlungsfähigkeit von KMU sicherstellen

    Was gilt es zu beachten?

Publikation:

Handlungsfähigkeit von KMU sicherstellen - was es zu beachten gilt

25. September 2023

15 min

Gerade im für die Schweiz bedeutenden KMU-Sektor kommt es immer wieder vor, dass der Alleinaktionär bzw. Alleingesellschafter auch alleiniger Verwaltungsrat oder Geschäftsführer der Gesellschaft ist und im Übrigen keine Zeichnungsberechtigungen im Handelsregister eingetragen sind. Welche Probleme können in solchen Konstellationen auftreten und welche Vorkehrungen kann das Unternehmen treffen?

 

Herr Müller ist Alleinaktionär der Dachdecker AG und alleiniger Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift. Die Dachdecker AG verfügt über keine weiteren Zeichnungsberechtigten. Über das Geschäftskonto verfügt ausschliesslich Herr Müller. 
Herr Müller plant eine vierwöchige Auszeit in Alaska. In Zukunft will er sich häufiger solche Auszeiten nehmen. Während seinen Abwesenheiten soll das Tagesgeschäft zwar reibungslos funktionieren, gleichzeitig will er aber die Zügel nur so weit nötig aus der Hand geben. Die Wahl eines zweiten Verwaltungsratsmitglieds kommt für ihn nicht in Frage.


Welche Vorkehrungen kann Herr Müller treffen?

Das Mandat des Verwaltungsrates ist nach überwiegender Lehrmeinung personengebunden. Was die Tätigkeit als Verwaltungsrat angeht, kann sich Herr Müller folglich nicht vertreten lassen.

 

Prokura erteilen

Eine juristische Person wie die Dachdecker AG kann Dritte ermächtigen, für sie rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Die Ermächtigung erfolgt mittels Vollmacht. In seiner Funktion als einziges Mitglied des Verwaltungsrates kann Herr Müller im Namen der Dachdecker AG entsprechende Vollmachten einräumen. Im Geschäftsverkehr bietet sich insbesondere an, einzelnen oder mehreren Arbeitnehmenden (durch Bevollmächtigung) Prokura zu erteilen. Der Umfang der Vertretungsmacht ist gesetzlich geregelt: Die Prokuristin ist von Gesetzes wegen befugt, für die Gesellschaft sämtliche Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Unternehmens mit sich bringen kann. So ist die Prokuristin beispielsweise zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ohne Zustimmung der Gesellschaft nicht befugt. Die Erteilung der Prokura ist beim Handelsregisteramt des Sitzkantons der Gesellschaft zur Eintragung anzumelden. Dabei ist anzugeben, ob die Arbeitnehmerin Einzelprokura oder Kollektivprokura führt. Bei der Einzelprokura kann die Arbeitnehmerin die Gesellschaft direkt verpflichten, bei der Kollektivprokura braucht es dafür die Unterschrift eines zweiten Prokuristen. 

Die mit der Prokura verbundene und relativ weitgehende Vollmacht kann unternehmensintern beschränkt werden. Beispielsweise könnte die Vollmacht auf Geschäftsabschlüsse bis zum Wert von max. CHF 20'000 beschränkt werden. Solche firmeninternen Beschränkungen gelten Dritten gegenüber nur, falls sie ihnen mitgeteilt wurden. Verstösst der Arbeitnehmer gegen firmeninterne Beschränkungen, kann die Gesellschaft allenfalls Schadenersatz fordern. In besonders schweren Fällen ist eine fristlose Kündigung möglich.

 

Handlungsvollmachten erteilen

Eine andere Möglichkeit bestünde für Herrn Müller darin, Handlungsvollmachten zu erteilen. Die gesetzlich geregelte Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten geht weniger weit als jene der Prokuristin: Der Handlungsbevollmächtigte ist befugt, Geschäfte abzuschliessen, die der Betrieb gewöhnlich mit sich bringt. Die Handlungsvollmacht bezieht sich also auf das Übliche. Wie die Prokura kann auch die Handlungsvollmacht unternehmensintern beschränkt werden. Mit denselben möglichen Folgen bei Verstössen. 

Soll eine bevollmächtigte Person (Prokuristin oder Handlungsbevollmächtigter) auch Bankzahlungen ab dem Geschäftskonto tätigen können, ist dies mittels separater Bankvollmacht zu regeln, da viele Banken ausschliesslich Vollmachten auf von ihnen vorgedruckten Dokumenten akzeptieren. 

Fazit

Um den Betrieb des Tagesgeschäftes bei kurzen Abwesenheiten des einzigen Verwaltungsrates zu gewährleisten, kann Herr Müller Prokuristinnen oder Handlungsbevollmächtigte ernennen und ihre Befugnisse unternehmensintern auf das erforderliche Mass beschränken.

 

Das Reisefieber hat Herr Müller gepackt. Trotz der beunruhigenden Reisehinweise des EDA will er eine siebenwöchige Reise nach El Salvador unternehmen. Ihm ist bewusst, dass die Reise einige Risiken birgt. Er fragt sich, wer für die Dachdecker AG handeln würde, wenn er in El Salvador vermisst würde und dauerhaft ausfällt.


Wie kann Herr Müller vorgehen?

Hier stellt sich nicht mehr die Frage nach der Aufrechterhaltung des Tagesgeschäfts, sondern der Funktionsunfähigkeit des Verwaltungsrates als zwingendes Organ der Aktiengesellschaft. Bei dauernder Inaktivität und Unerreichbarkeit des Verwaltungsrates muss ein neuer Verwaltungsrat bestellt werden. Andernfalls riskiert die Gesellschaft, dass das Gericht aktiv wird und eine Verwaltungsrätin beruft oder einen Sachwalter einsetzt.

 

Vollmacht auf Aktionärsstufe erteilen

Herr Müller ist nicht nur Verwaltungsrat, sondern auch Alleinaktionär der Dachdecker AG. In den Aufgabenbereich der Generalversammlung fällt unter anderem die Wahl des Verwaltungsrates. An der Generalversammlung kann sich der Aktionär vertreten lassen. Folglich kann Herr Müller einer Drittperson eine Aktionärsvollmacht mit der Befugnis einräumen, Generalversammlungen der Dachdecker AG abzuhalten sowie Verwaltungsratsmitglieder abzuberufen und zu wählen. Herr Müller kann der Drittperson die Weisung erteilen, wen sie als neues Mitglied des Verwaltungsrates wählen soll. Bei der Bevollmächtigten sollte es sich um eine absolute Vertrauensperson handeln, mit der abgesprochen ist, zu welchem Zeitpunkt Gebrauch von der Vollmacht gemacht wird (z.B. nachrichtenlose Abwesenheit von 3 Monaten). Zudem ist vorgängig zu prüfen, ob die als Verwaltungsrat vorgesehene Person ihr Amt auch annehmen würde. Weil eine Vollmacht - soweit nicht das Gegenteil vereinbart wurde - mit dem Verlust der Handlungsfähigkeit, Tod oder Verschollenerklärung des Vollmachtgebers grundsätzlich automatisch erlischt, sollte die Vollmacht eine Weitergeltungklausel für diese Fälle enthalten.

 

Was, wenn der abwesende Aktionär nicht Alleinaktionär ist?

Die Aktionärsvollmacht führt unter Umständen in jenen Fällen nicht zum Ziel, in denen der abwesende Aktionär nicht Alleinaktionär der Gesellschaft ist und deshalb keine Universalversammlung (Anwesenheit sämtlicher Aktionärsstimmen, keine Einberufung erforderlich) abhalten kann und die Gesellschaft auch keine Revisionsstelle hat. Grund dafür ist, dass bei mehreren Aktionären eine Generalversammlung einberufen werden muss und es an Personen fehlt, welche zur Einberufung einer Generalversammlung befugt sind (Mitglieder des Verwaltungsrates oder die Revisionsstelle).
Ist der gegebene Zeitpunkt gekommen, kann die bevollmächtigte Vertrauensperson die Generalversammlung einberufen und den Verwaltungsrat neu bestellen. Der neue Verwaltungsrat kann für die Gesellschaft handeln, Prokuristinnen und Handlungsbevollmächtigte ernennen und abberufen sowie Bankvollmachten einräumen.

 

Fazit

Mit einer Vollmacht auf Aktionärsstufe kann sichergestellt werden, dass der Verwaltungsrat bei dauernder Abwesenheit des einzigen Verwaltungsrates neu bestellt werden kann.

Herr Müller ist wohlbehalten aus El Salvador zurück. Doch die Reise und das Gesehene stimmen ihn nachdenklich. Er befasst sich stärker mit der Zukunft der Dachdecker AG. Er fragt sich:

A) Wer wird mich als Verwaltungsrat ersetzen, falls ich urteilsunfähig werden sollte?

B) Wer wird mich nach meinem Tod als Verwaltungsrat ersetzen?

 

Welche Vorkehrungen muss Herr Müller für den Fall der Urteilsunfähigkeit treffen?

Bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit des einzigen Verwaltungsrats ist die Gesellschaft nicht mehr handlungsfähig. Es besteht das Risiko, dass das Gericht aktiv wird und eine Verwaltungsrätin beruft oder einen Sachwalter einsetzt.


Vorsorgeauftrag erstellen

Für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit kann Herr Müller in einem Vorsorgeauftrag regeln, wer seine Aktien der Dachdecker AG an Generalversammlungen vertreten soll. Im Vorsorgeauftrag kann er der beauftragten Person zudem die Weisung erteilen, wen sie als Verwaltungsrat wählen soll. Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig zu errichten oder öffentlich beurkunden zu lassen. Es ist empfohlen, die weiter oben beschriebene Vollmacht und den Vorsorgeauftrag inhaltlich aufeinander abzustimmen (gleiche beauftragte Person und dieselbe Weisung). Obwohl die beiden Dokumente in diesem Punkt inhaltlich identisch sind, sollte sowohl eine Vollmacht als auch ein Vorsorgeauftrag erstellt werden, um im Zweifelsfall zu verhindern, dass die Vollmacht (weder Eigenhändigkeit noch öffentliche Beurkundung erforderlich) rechtlich als formwidriger und damit nichtiger Vorsorgeauftrag betrachtet wird. Das Nebeneinander bietet sich auch deshalb an, weil dem Inkrafttreten des Vorsorgeauftrages jeweils ein Validierungsverfahren vorausgeht, während deren Dauer die Vollmacht gilt. Als bewährtes und beliebtes Instrument zur weitgehenden Vermeidung behördlicher Erwachsenenschutzmassnahmen bietet sich an, im Vorsorgeauftrag weitere Punkte ausserhalb der Vertretung der Aktien der Dachdecker AG zu regeln.


Wie kann Herr Müller für den Todesfall vorsorgen?

Im Todeszeitpunkt von Herrn Müller endet das Verwaltungsratsmandat ohne Weiteres. Die Position des Verwaltungsrates ist nicht vererbbar. Um eine gerichtliche Intervention infolge Organmangels zu verhindern, muss zeitnah ein neuer Verwaltungsrat bestellt werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass mit dem Tod von Herr Müller das Eigentum an den Aktien der Dachdecker AG auf alle Erben überginge. Sie würden Gesamteigentümer und könnten nur gemeinsam über die Aktien verfügen. Die Wahl eines neuen Verwaltungsrates setzt bei Gesamteigentum Einstimmigkeit voraus, was im Widerspruch zur erforderlichen Reaktionsschnelligkeit stehen kann. Erbteilungen nehmen üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch, so dass mit der Wahl des Verwaltungsrates häufig auch nicht zugewartet werden kann, bis die Aktien einem Erben zugeteilt oder veräussert worden sind. Für diese Fälle kann Herr Müller in einem Testament oder einem Erbvertrag einen Willensvollstrecker einsetzen. Dem Willensvollstrecker obliegt von Gesetzes wegen die Aufgabe, den Nachlass zu verwalten und die Erbteilung vorzubereiten. Die Verwaltung des Nachlasses umfasst die Verwaltung der Aktien, insbesondere die Ausübung der Stimmrechte. Der Willensvollstrecker hat die erforderlichen Beschlüsse der Generalversammlung anstelle der Erben zu fällen. Dazu gehört unter anderem die Wahl des Verwaltungsrates. Das Testament oder der Erbvertrag kann Weisungen dahingehend enthalten, wen der Willensvollstrecker als Verwaltungsrat wählen soll. Der Willensvollstrecker hat sich an solche Weisungen zu halten.

Mit geeigneten ehe- und erbrechtlichen Instrumenten kann Herr Müller zudem Einfluss darauf nehmen, wem nach seinem Tod das Eigentum an den Aktien der Dachdecker AG zugewiesen werden soll. Aufgrund des Pflichtteilschutzes der Nachkommen und Ehegatten gestaltet sich die Nachfolgeplanung häufig herausfordernd. Die zweite Erbrechtsrevision, die zurzeit in der Vernehmlassung ist, wird diese Problematik voraussichtlich entschärfen. BDO wird darüber zum gegebenen Zeitpunkt durch einen entsprechenden Beitrag genauer informieren.


Fazit

Mit einem Vorsorgeauftrag kann der Alleinaktionär und einzige Verwaltungsrat für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit die Nachfolge im Verwaltungsrat regeln. Um nach dem Tod eine rasche Neubesetzung des Verwaltungsrates zu gewährleisten, bietet es sich an, in einem Testament und einem Erbvertrag einen Willensvollstrecker einzusetzen.


Für jeden Regelungsbedarf das richtige Instrument

Ob für die Sicherstellung des Geschäftsalltags der Gesellschaft bei kurzen Abwesenheiten, der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit bei dauernder Abwesenheit, Urteilsunfähigkeit oder Tod des Alleinaktionärs und einzigen Verwaltungsrates (bzw. Alleingesellschafters und einzigen Geschäftsführers bei der GmbH): Sie können vorsorgen. Gerne unterstützen wir Sie dabei.


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