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  • Falle Scheinselbständigkeit

    Wie sich Uber in der Schweiz mit der AHV-Pflicht verschätzt hat

Artikel:

Falle Scheinselbständigkeit - wie sich Uber in der Schweiz mit der AHV-Pflicht verschätzt hat

28. April 2023

Janine Bienz, Leiterin Expatriate Tax |
Dejan Milosevic, Senior Tax Manager, Global Employer Services |

In zwei neuen Leitentscheiden (9C_70/2022, 9C_76/2022 und 9C_71/2022, 9C_75/2022) vom 16. Februar 2023 hat das Schweizerische Bundesgericht entschieden, dass Uber-Fahrerinnen und -Fahrer gemäss dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Zudem begründen die in den Niederlanden ansässigen Unternehmen Uber B.V. und Rasier Operations B.V. eine Betriebsstätte in der Schweiz und sind somit in der Schweiz AHV-beitragspflichtig.

Gemäss dem AHVG sind alle Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben oder in der Schweiz wohnhaft sind, AHV-beitragspflichtig. Selbstständig Erwerbstätige melden sich an und zahlen die Beiträge in eigenem Namen, während in einem Angestelltenverhältnis die Arbeitgebenden als Schuldner der AHV-Beiträge fungieren. Die Schweizer Sozialversicherungsbehörden haben ihre eigenen Vorschriften und Anforderungen, wann jemand im Sinne der Sozialversicherung selbständig oder unselbständig ist. So kann, entgegen dem ersten Eindruck, ein Freischaffender, der seine Leistungen seiner Auftraggeberin in Rechnung stellt, sehr wohl auch als unselbständig im Sinne der Sozialversicherung gelten. Der Grundsatz hierzu lautet: Je höher die Abhängigkeit und je grösser der Einflussbereich der Auftraggeberin, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer unselbständigen Tätigkeit aus der Sicht der Sozialversicherungsbeitragspflicht. Eine Folge davon ist, dass die vermeintliche Auftraggeberin (nicht Arbeitgeberin im engeren Sinn), welcher der Freischaffende seine Leistung in Rechnung stellt, zur Schuldnerin der Sozialversicherungs- bzw. der AHV-Beiträge wird.

 

Konsequenzen für internationale Unternehmen mit Aktivitäten in der Schweiz

Das Schweizerische Bundesgericht hat in seinen jüngsten Entscheiden (s. oben) verschiedene, in Rechtslehre und Praxis lange umstrittene Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Uber sowie Uber-Fahrerinnen und -Fahrer in der Schweiz geklärt. Nicht nur in Bezug auf Uber sind diese beiden Entscheide von weitreichender Bedeutung für viele internationale Unternehmen mit Aktivitäten in der Schweiz, denn sie halten im Grundsatz Folgendes fest:

  • Personen, die über eine Plattform beschäftigt werden, üben eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des AHVG aus, wenn sie keine wesentliche und/oder tatsächliche Entscheidungsbefugnis über ihre Tätigkeit haben und somit zumindest mittelbar unterstellt und weisungsgebunden sind.
  • Internationale Unternehmen, die in der Schweiz tätig sind, und sei es nur mit einer zufälligen «physischen» Präsenz, riskieren, AHV-beitragspflichtig zu werden. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts reicht es bereits aus, dass bestimmte begleitende oder unterstützende Handlungen in der Schweiz stattfinden. Dabei ist es insbesondere unerheblich, ob diese Handlungen quantitativ oder qualitativ bedeutsam sind.

 

Uber-Fahrerinnen und -Fahrer üben eine abhängige, unselbständige Erwerbstätigkeit aus

Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die Qualifizierung neuer Arbeitsformen, wie z.B. das sogenannte Plattformgeschäft, als selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit in der herrschenden Lehre umstritten sei. Nach einer Auslegung der entwickelten Kriterien kam das Bundesgericht zum Schluss, dass im Fall Uber hinsichtlich

  • der weitreichenden Anweisungen von Uber, deren Einhaltung über eine App kontrolliert wurde,
  • des in wesentlichen Bereichen bestehenden Unterordnungsverhältnisses zwischen Fahrerinnen und Fahrern und Uber, das sich aus der Verbindung zur App ergibt, und
  • des praktisch nicht existierenden wirtschaftlichen Risikos für die Uber-Fahrerinnen und -Fahrer

von Folgendem ausgegangen werden muss: Die Uber-Fahrerinnen und Fahrer sehen sich einer Abhängigkeit gegenüber Uber ausgesetzt, womit eine unselbständige Erwerbstätigkeit besteht.

 

Uber als Arbeitgeberin

Das Bundesbericht befasste sich mit der Frage, wer als Arbeitgeberin der Uber-Fahrerinnen und Fahrer anzusehen ist. Es stellte fest, dass die Uber B.V. und Rasier Operations B.V. auf der Grundlage der vereinbarten Vertragsbestimmungen über ein so weitreichendes Weisungsrecht verfügen, dass die Fahrerinnen und Fahrer in Bezug auf die Unternehmensführung und -organisation in erheblichem Masse von ihnen abhängig zu sein scheinen. Darüber hinaus ist die Uber B.V. auch das Unternehmen, welches die Löhne an die Fahrerinnen und Fahrer ausbezahlt und damit eine Arbeitgeberin im Sinne des AHVG ist. Das Gleiche gilt für die Rasier Operations B.V. Obwohl die Löhne der UberPop-Fahrerinnen und -Fahrer ebenfalls von der Uber B.V. bezahlt wurden, erfolgte die Zahlung im Namen der Rasier Operations B.V., weshalb letztere als Arbeitgeberin ihrer jeweiligen Fahrerinnen und Fahrer gilt.

 

Begründung einer Betriebstätte von Uber in der Schweiz

Das Bundesgericht entschied, dass beide niederländischen Unternehmen eine Betriebsstätte in Zürich bzw. in der Schweiz haben (bei der Uber Switzerland GmbH, einer separaten juristischen Person, dem sogenannten «Green Light Center»). Dies vor allem, weil

  1. die Uber B.V. oder Rasier Operations B.V. über die dortigen ständigen Einrichtungen und Geräte verfügen können und 
  2. ihre Geschäftstätigkeiten zumindest teilweise dort stattfinden.

Die Uber Switzerland GmbH hat der niederländischen Uber B.V. im Zürcher Sitz dauerhaft Büroräume und Personal zur Verfügung gestellt. Obwohl die Uber B.V. weder Eigentümerin noch Mieterin dieser Räumlichkeiten ist, konnte sie stets frei über die Räumlichkeiten verfügen. Das Bundesgericht stellte fest, dass nach den Angaben auf der Website von Uber alle potenziellen Fahrerinnen und Fahrer vor Aufnahme ihrer Tätigkeit das «Greenlight Center» bei der Uber Switzerland GmbH besuchen mussten, wo sie die notwendige Unterstützung von Fachpersonen «auf dem Weg zur Fahrerin oder zum Fahrer» erhielten. Zum Abschluss des Registrierungsprozesses mussten die Teilnehmenden eine Informationsveranstaltung besuchen, die ebenfalls in den Räumlichkeiten von Uber Switzerland GmbH stattfand. Ausserdem wurde dort der Vertrag unterzeichnet. Das «Greenlight Center» steht den Fahrerinnen und Fahrern als feste Anlaufstelle zur Verfügung, an die sie sich bei allen Fragen, Anliegen, Beschwerden etc. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit wenden können. Dazu gehört auch die persönliche Beratung, gezielte Hilfestellung etc., wobei ausschliesslich Mitarbeitende der Uber Switzerland GmbH die von Uber B.V. und Rasier Operations B.V. festgelegten Abläufe erläutern, die von ihnen getroffenen Entscheidungen umsetzen und die von ihnen erteilten Anweisungen ausführen. Daraus folgt, dass die Geschäftstätigkeiten von Uber B.V. und Rasier Operations B.V. zumindest teilweise im «Greenlight Center» in Zürich stattfinden und dass die beiden niederländischen Gesellschaften daher als Betriebsstätten in der Schweiz gelten und als solche die ausstehenden Schweizer Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten haben.

 

Komplex muss nicht kompliziert sein

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