01. März 2022
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Das Parlament hat die Aktienrechtsrevision am 19. Juni 2020 verabschiedet. Einige Elemente dieser Revision sind bereits in Kraft getreten, z. B. in Bezug auf die Geschlechterrichtwerte in den Führungsgremien börsenkotierter Unternehmen und die Verbesserung der Transparenz im Rohstoffsektor. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. Februar 2022 sämtliche weiteren Bestimmungen auf den 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt werden die lang ersehnten Änderungen des Obligationenrechts (OR) und der Handelsregisterverordnung (HRegV) Realität werden.
In diesem Beitrag liegt der Fokus auf den Aktionärsrechten und auf der Generalversammlung.
Neue Aktionärsrechte im Überblick
Generell stärkt die Aktienrechtsrevision die Aktionärsechte, sowohl bei börsenkotierten als auch bei anderen Gesellschaften. Die folgende Tabelle verschafft einen Überblick über die wichtigsten Änderungen:
Aktionnärsrechte |
Geltendes Recht |
Neues Recht |
Alle Gesellschaften |
Börsenkotierte Gesellschaften |
Nicht börsenkotierte Gesellschaften |
Einberufung einer GV |
10% des Aktienkapitals |
5% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
10% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Traktandierung |
Nennwerte von CHF 1 Mio. |
0,5% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
5% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Auskünfte ausserhalb der GV |
- |
- |
10% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Einsicht in die Geschäftsbücher |
Keine Schwelle |
5% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Sonderuntersuchung bei Ablehnung durch die GV |
10% des Aktienkapitals oder Nennwerte von CHF 2 Mio. |
5% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
10% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Auflösungsklage |
10% des Aktienkapitals |
10% des Aktienkapitals oder der Stimmen |
Neue Formen zur Abhaltung von Generalversammlungen
Nach geltendem Recht kann die Generalversammlung nur in Anwesenheit, d. h. bei physischer Präsenz, der Aktionärinnen und Aktionäre abgehalten werden. Der Bundesrat hat jedoch im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Situation, die uns seit zwei Jahren beschäftigt, eine Ausnahme vorgesehen. Bei Versammlungen von Gesellschaften kann der Veranstalter ungeachtet der voraussichtlichen Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ohne Einhaltung der Einladungsfrist anordnen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich auf schriftlichem Weg, in elektronischer Form oder durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtvertreter ausüben können (Art. 27 Covid-19-Verordnung 3). Diese Bestimmung gilt bis zur Inkraftsetzung der Bestimmungen über die Aktienrechtsrevision, längstens aber bis zum 31. Dezember 2023.
Das neue Aktienrecht sieht verschiedene Formen für die Abhaltung der Generalversammlung vor.
Die Generalversammlung in Anwesenheit der Aktionärinnen und Aktionäre wird an verschiedenen Orten gleichzeitig durchgeführt werden können. Die Voten der Teilnehmenden müssen in diesem Fall unmittelbar in Bild und Ton an sämtliche Tagungsorte übertragen werden. Die Generalversammlung wird auch im Ausland durchgeführt werden können, wenn die Statuten dies vorsehen.
Eine Generalversammlung wird ebenfalls abgehalten werden können, wenn die Beschlüsse auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form erfolgen. Wenn die Statuten es vorsehen, wird eine Generalversammlung mit elektronischen Mitteln ohne Tagungsort durchgeführt werden können. In diesem Fall wird der Verwaltungsrat die Verwendung elektronischer Mittel regeln.
Schliesslich wird die Generalversammlung auch in hybrider Form stattfinden können, bei der einige Aktionäre anwesend sind und andere ihre Rechte auf elektronischem Wege ausüben.
Statutenänderungen
Gesellschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts im Handelsregister eingetragen sind, jedoch den neuen Vorschriften nicht entsprechen, werden innerhalb von zwei Jahren ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen anpassen müssen. Konkret heisst das: Wenn eine AG eine virtuelle Generalversammlung einführen möchte, wird sie ab dem 1. Januar 2023 ihre Statuten ändern müssen. Neuerungen, die erst mit Inkrafttreten des neuen Aktienrechts über die notwendige gesetzliche Grundlage verfügen, können «terminiert» beschlossen werden, sofern es sich um nicht-publikationspflichtige Tatsachen handelt. Aus den Statuten muss zweifelsfrei hervorgehen, welche Regelung wann zum Tragen kommt.
Diese Bestimmungen gelten auch für andere Kapitalgesellschaften, wie z. B. die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Wir empfehlen Ihnen, Ihre Statuten und Reglemente bereits jetzt sorgfältig zu überprüfen, um dem Inkrafttreten des neuen Rechts zuvorzukommen.