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Artikel:

Leistungsabrechnungen in der Krankenzusatzversicherung

14. Januar 2021

4 min

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA sieht einen umfassenden Handlungsbedarf bei Leistungsabrechnungen in der Krankenzusatzversicherung. Um Missstände zukünftig ausschliessen zu können, fordert sie von den Versicherern ein wirksameres Controlling und die Neuverhandlung von Verträgen mit Leistungserbringern. Die hierfür vorgesehenen Umsetzungsfristen sind knapp bemessen. Wird den Aufforderungen der FINMA nicht Folge geleistet, so behält sie sich vor, keine neuen Spitalzusatzversicherungsprodukte mehr zu genehmigen.

 

Kontext

Die Krankenversicherung in der Schweiz basiert auf zwei Säulen. Die Krankenpflegeversicherung, auch Grundversicherung oder soziale Krankenversicherung genannt, ist obligatorisch und wird primär durch das Krankenversicherungsgesetz (KVG) und die dazugehörenden Verordnungen geregelt. Die Leistungen sind im KVG genau umschrieben. Weitergehende Leistungen werden durch die Krankenzusatzversicherung vergütet. Diese ist freiwillig und untersteht dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Das VVG wurde kürzlich revidiert. Die Änderungen treten per 1. Januar 2022 in Kraft und betreffen auch die Krankenzusatzversicherung. Weitere Informationen finden Sie in unserem Artikel zur Revision des Versicherungsvertragsgesetzes.

In der privaten Versicherung gibt es in der Schweiz seit Jahrzehnten keine präventive, materielle Aufsicht hinsichtlich der Tarife. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG; Art. 4 Abs. 2 Bst. R) sieht aber zwei wichtige Ausnahmen vor: In der Krankenzusatzversicherung und auch in der in der beruflichen Vorsorge (2. Säule) werden die Tarife und die allgemeinen Versicherungsbedingungen von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA genehmigt.
 

Aufsicht der Krankenzusatzversicherung

Währendem die freiwillige Krankenzusatzversicherung durch die FINMA beaufsichtigt wird, wird die obligatorische Krankenpflegeversicherung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beaufsichtigt. Das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz (KVAG) und die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) regeln die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung.

Die drei Ziele der FINMA in der Aufsicht der Krankenzusatzversicherung sind der Schutz von ungerechtfertigten Prämien, der Schutz von Ungleichbehandlung und der Schutz vor Missbrauch. In einem Video erläutert die FINMA ihre Rolle sehr anschaulich.

Die Tarife der Krankenzusatzversicherung, und dazu gehören Prämien und Deckungsleistungen, müssen somit von der FINMA genehmigt werden. Das FINMA-Rundschreiben 2010/3 «Krankenversicherung nach VVG» behandelt eher allgemein versicherungstechnische Fragen zur Tarifierung und zu den Rückstellungen. Die offene Interpretation dieses Rundschreibens führte zu Meinungsverschiedenheiten mit den beaufsichtigen Unternehmen.

Am 25. November 2019 bestätigte das Bundesgericht die Ausrichtung der FINMA auf die Missbrauchsbekämpfung in der Krankenzusatzversicherung. Die FINMA will nun ihre Praxis in ein revidiertes Rundschreiben 2010/3 integrieren. Diesbezüglich hat sie am 1. September 2020 eine Anhörung zur Teilrevision des Rundschreibens 2010/3 eröffnet. Die Anhörung dauerte bis am 2. November 2020. Die Ergebnisse dieser Anhörung sind noch nicht bekannt. Die Verabschiedung und das Inkrafttreten des teilrevidierten Rundschreibens sind für das erste Quartal 2021 vorgesehen.
 

Handlungsbedarf bei Leistungsabrechnungen?

Die FINMA sieht ihre Aufsichtsfunktion nicht nur bei der Prüfung der Tarife. Schon seit Jahren beschäftigt sie sich auch mit der Thematik der Leistungsabrechnung im Bereich der Krankenversicherungen.

Am 17. Dezember 2020 hat die FINMA eine Medienmitteilung mit dem Titel «Krankenzusatzversicherer: FINMA sieht umfassenden Handlungsbedarf bei Leistungsabrechnungen» publiziert. Aufgrund von Analysen und Vor-Ort-Kontrollen kommt sie darin zum Schluss, dass im Bereich der Leistungsabrechnungen unhaltbare Missstände herrschen. Da die Leistungserbringer (u.a. Spitäler, Ärzte etc.) nicht der FINMA unterstellt sind, wendet diese sich nun in einem deutlichen Ton an die Krankenversicherer. Sie kritisiert dabei insbesondere die Ausgestaltung der Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung. Diese seien «häufig intransparent, zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt». Die Liste beobachteter Missstände ist gross. Sie beinhaltet Themen wie Doppelverrechnungen (in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und in der freiwilligen Krankenzusatzversicherung), stark divergierende Zusatzkosten für die Hotellerie-Leistungen in Spitälern und grosse Unterschiede bei den Zusatzkosten für identische Behandlungen je nach Spital und Arzt.

Es war der FINMA jedoch nicht möglich, die zu hoch verrechneten Leistungen im Bereich der Spitalzusatzversicherungen zu quantifizieren oder zumindest grob abzuschätzen. Das tatsächliche oder vermutete Ausmass der angeprangerten Missstände bleibt somit unklar. Und damit auch der notwendige Handlungsbedarf in der Branche.

Die FINMA fordert nun Verbesserungen bei den Versicherern, indem diese ihre Verträge mit den Leistungserbringern überprüfen und allenfalls anpassen. Weiter erwartet die FINMA den Aufbau eines wirksamen Controllings, um insbesondere sicherzustellen, dass ungerechtfertigte Zahlungen nicht bezahlt werden. Falls die Versicherer diesen Aufforderungen nicht nachkommen, behält sie sich vor, keine neuen Spitalzusatzversicherungsprodukte mehr zu genehmigen.

Nebst der Veröffentlichung der Medienmitteilung am 17. Dezember 2020 hat sich die FINMA schriftlich an die Krankenzusatzversicherer gewendet und die drei zu berücksichtigenden Prinzipien wiederholt:

  1. Transparente und nachvollziehbare Abrechnungen von Leistungserbringern
  2. Belastung der Zusatzversicherung ausschliesslich durch Mehrleistungen, die über die obligatorische Krankenpflegeversicherung hinausgehen
  3. Sicherstellung durch ein wirksames Controlling

Des Weiteren legt die FINMA Umsetzungsfristen fest: Verträge mit den Leistungserbringern bei bestehenden Listenprodukten müssen umgehend angepasst werden, die Vorkehrungen zum Aufbau oder zur Optimierung des Controllings sowie allfällige Tarifvorlagen im Rahmen der Tarifrunde 2022 müssen bis zum 31. Juli 2021 übermittelt werden. Die Fristen sind also äusserst knapp bemessen.

Einige Verantwortliche von Krankenzusatzversicherern haben auf die Forderungen reagiert und betont, dass sie die Anliegen der FINMA ernst nehmen und bereits Gespräche und Verhandlungen mit den Leistungserbringern führen. Offizielle Stellungnahmen von Versicherungs- und Leistungserbringerverbänden sind uns bisher nicht bekannt.

Falls Sie Unterstützung bei der Umsetzung der von der FINMA geforderten Pflichten benötigen oder Fragen zu unseren Ausführungen haben, stehen Ihnen unsere Versicherungsexperten gerne beratend zur Seite.

Quellen: Diverse Dokumente der FINMA