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Artikel:

Elektronische Buchführung und -belege aus mehrwertsteuerlicher Sicht

01. April 2021

Adrian Wyss, lic. rer. pol., MWST-Experte FH, Leitender MWST-Experte Mittelland - Partner |
German Boschung, lic. iur., Betriebswirtschafter NDS, Mandatsleiter MWST |
10 min

Immer häufiger erhalten Unternehmen elektronische Belege wie PDF-Rechnungen. Berechtigen diese zum Vorsteuerabzug? In unserem Artikel legen wir dar, ob eine digitale Signatur erforderlich ist oder ob Beweismittelfreiheit bedeutet, dass auch reine PDF-Rechnungen Rechtssicherheit gewähren.

 

Die elektronische Buchführung nimmt in der Praxis stetig an Bedeutung zu. Verschiedene Studien weisen auf grosse Effizienzsteigerungen und entsprechende Kosteneinsparungen bei einer umfassenden elektronischen Buchführung hin. Insbesondere dann, wenn die Rechnungsstellung gegenüber Kunden (Debitorenprozess) und/oder von Lieferanten (Kreditorenprozess) sowie die jeweilige Zahlungsabwicklung und Verbuchung elektronisch integriert sind (z.B. Workflow). Die wirtschaftliche Logik dieser Überlegungen leuchtet unbestritten ein. Allerdings bestehen in der Praxis nach wie vor einige Unklarheiten, wie diese neuen Prozesse mit den vom Gesetzgeber erlassenen Buchführungs- und Mehrwertsteuervorschriften in Übereinstimmung zu bringen sind.

Bis zum 1. Januar 2018 herrschte in der Praxis die weitverbreitete Meinung, dass elektronische Rechnungen nur dann mehrwertsteuerkonform ausgetauscht werden dürfen, wenn diese mit einer digitalen Signatur versehen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt verwies die Mehrwertsteuerverordnung jeweils explizit auf die komplexen Bestimmungen der Verordnung des Eidg. Finanzdepartementes über elektronische Daten und Informationen (EIDI-V). Dieser war zusammenfassend zu entnehmen, dass ohne Verwendung einer fortgeschrittenen, elektronischen Signatur mit gültigem Zertifikat die Beweiskraft der elektronischen Daten explizit nicht gegeben sei.

Gleichzeitig war aber bereits im Mehrwertsteuergesetz der Grundsatz der Beweismittelfreiheit festgehalten, so dass bei Einhaltung der handelsrechtlichen Bestimmungen zur ordnungsmässigen Buchführung nach Artikel 957a OR der mehrwertsteuerliche Nachweis des Ursprungs und der Unveränderbarkeit eines Beleges auch ohne digitale Signatur gegeben wäre.

Mit dem Inkrafttreten des teilrevidierten Mehrwertsteuergesetzes per 1. Januar 2018 wurde die EIDI-V ersatzlos ausser Kraft gesetzt. Damit wurde der Widerspruch zwischen den weiter gefassten, handelsrechtlichen Bestimmungen und den strengen Regeln der EIDI-V zwar beseitigt, es fehlt nun aber seither in der Praxis eine explizite Regel des «sicheren Hafens».

 

Handelsrechtliche Bestimmungen auch für die MWST massgebend

Im Zuge der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes wurde natürlich auch die Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) teilweise überarbeitet.[1] Im Abschnitt über die papierlosen Belege ist - wie weiter oben erwähnt - neu nur noch festgehalten, dass für die volle Beweiskraft von elektronischen Buchungsbelegen die Artikel 957– 958f des Obligationenrechts (Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung) sowie die Bestimmungen der Geschäftsbücherverordnung vom 24. April 2002 massgebend sind.

Was heisst dies nun konkret für die mehrwertsteuerliche Übermittlung und Aufbewahrung elektronischer Daten? Eine Pflicht zur digitalen Signatur besteht somit für Zwecke der Mehrwertsteuer nicht mehr. Papierrechnungen, eingescannte Rechnungen, PDF-Dokumente oder «echte» E-Rechnungen sind einander zumindest auf den ersten Blick gleichgestellt. Die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung genügt, um den Anforderungen der Mehrwertsteuer zu entsprechen.

Was heisst dies nun für die Praxis?

 

Übermittlung und Aufbewahrung elektronischer Belege

In den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung findet sich ein in Bezug auf die elektronische Buchführung zentraler Verweis (Art. 958f Abs. 4 OR) zu den Bestimmungen der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV): Gemäss diesen müssen die Geschäftsbücher und Buchungsbelege so geführt und aufbewahrt werden, dass Änderungen nicht vorgenommen werden können, ohne dass sich dies feststellen lässt.[2]

In Zusammenhang mit der Übermittlung und Aufbewahrung elektronischer Belege enthält die GeBüV mit den sogenannten Grundsätzen ordnungsgemässer Datenverarbeitung zudem spezifische Sonderbestimmungen.[3]

Diese unterscheiden unveränderbare Informationsträger (Papier[4], Bildträger) respektive Datenträger (WORM[5], CD-R[6], DVD-R und UDO[7]) von veränderbaren Datenträgern[8]:

Unveränderbare Datenträger werden regelmässig beim elektronischen Erfassen von eingehenden Papierbelegen in Scanning-Zentren angewendet, denn die Unabänderbarkeit und die Nichtlöschbarkeit der Daten ist das technische Ziel. Allfällige elektronische Signaturen sind bei unveränderbaren Informationsträgern nicht notwendig. Die elektronischen Signaturen bezwecken nämlich, vorgenommene Änderungen an den digitalisierten, veränderbaren Urbelegen sichtbar zu machen und zu dokumentieren. Entsprechend ist die Beweiskraft von unabänderbaren, elektronischen Belegen nach unseren Erfahrungen bisher von der ESTV anlässlich von Kontrollen nie (ernsthaft) bezweifelt worden[9], zumal die Hersteller solcher Systeme detaillierte technische Beschreibungen mitliefern.

Im Gegensatz dazu können die auf veränderbaren Datenträgern gespeicherten Informationen geändert oder gelöscht werden, ohne dass die Änderung oder Löschung auf dem Datenträger nachweisbar ist (wie Magnetbänder, magnetische oder magnet-optische Disketten, Fest- oder Wechselplatten, solid state-Speicher). Gemäss Bestimmungen der GeBüV dürfen Daten auf solchen Trägern nur unter sehr einschränkenden Bedingungen zum Zwecke der gültigen Buchführung gespeichert werden. Insbesondere müssen technische Verfahren erstens die Integrität der gespeicherten Informationen gewährleisten (z.B. digitale Signaturverfahren oder Softwareschutz) und zweitens den Zeitpunkt der Speicherung der Informationen unverfälschbar nachweisen (z.B. durch «Zeitstempel»).[10]

 

Grundsätze ordnungsgemässer Datenverarbeitung

In der Praxis sind den Grundsätzen der ordnungsgemässen Datenverarbeitung insbesondere bei veränderbaren elektronischen Datenträgern grösste Bedeutung zuzumessen. Dies liegt darin begründet, dass die Belege und Geschäftsbücher auf veränderbaren Datenträgern nur bei striktem Einhalten dieser Grundsätze als eindeutige Beweismittel betrachtet werden.

Von zentraler Wichtigkeit sind in diesem Zusammenhang die jeweiligen Prozesse (inkl. Organisation und Zuständigkeiten). Schriftliche Dokumentationen in Form von aktuellen Prozessbeschreibungen sind unserer Ansicht nach zwingend zu erstellen und anschliessend analog zu den übrigen Buchungsbelegen ordnungsgemäss zu archivieren. Dies wird zudem auch in der GebüV gefordert[11]. Weiter gehört zu einer korrekten elektronischen Buchführung auch die regelmässige Überprüfung der Datenbestände, so insbesondere nach erfolgten Datenmigrationen[12].

Auf veränderbaren Medien gespeicherte Daten haben in Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug und der Steuererhebung aus Sicht des Handelsrechts und damit auch der Mehrwertsteuer nur dann die volle Beweiskraft, wenn die Integrität, der Ursprung der Daten und die nicht Nichtabstreitbarkeit des allfälligen Versands eindeutig nachgewiesen sind. [13]

Eine fortgeschrittene[14] elektronische Signatur (basierend auf einem gültigen Zertifikat) macht jede Veränderung des originalen elektronischen Datensatzes ersichtlich. Sie erfüllt deshalb die genannten Voraussetzungen der Beweiskraft (Integrität, Zeitpunkt der Speicherung sowie Unabstreitbarkeit des Versandes im Falle der elektronischen Belegübermittlung) von elektronischen Belegen auch nach dem Handelsrecht am besten.

Wer sie verwendet, darf deshalb von der vollen Beweiskraft des veränderbaren elektronischen Belegs ausgehen. Der Vorsteuerabzug kann daher aufgrund von Formmängeln des elektronischen Datensatzes nicht verweigert werden. Die Regel des «sicheren Hafens» gilt diesbezüglich nach wie vor.

 

Die Alternativen zur elektronischen Signatur

Alternativen sind in der Theorie möglich, aber in der Praxis sehr aufwändig. Verfügen auf veränderbaren Medien gespeicherte Daten nicht über eine digitale Signatur im oben beschriebenen Sinn, kann im Rahmen der Beweismittelfreiheit (Art. 81 Abs. 3 MWSTG) auf andere Weise nachgewiesen werden, dass deren Integrität vorhanden und der Ursprung der Daten bekannt sind sowie - im Falle der elektronischen Übermittlung - auch der Versand und der Empfang der Daten unbestrittenermassen vorliegt.

Zudem besagt Art. 28 Abs. 4 MWSTG, dass tatsächlich bezahlte Vorsteuern im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit auch geltend gemacht werden dürfen. Grundsätzlich ist somit nicht ausgeschlossen, dass selbst elektronisch nicht signierte Belege als eindeutiges Beweismittel für Zwecke der Mehrwertsteuer betrachtet werden können. Allerdings weisen wir darauf hin, dass dies im Einzelfall sehr aufwändig sein kann.

Der Beweismittelfreiheit des Steuerpflichtigen steht nämlich die freie Beweiswürdigung der Eidg. Steuerverwaltung gegenüber. In der praktischen Umsetzung wird somit die ESTV (z.B. im Falle einer MWST-Kontrolle) die vorgelegten Beweise gemäss ihrem pflichtgemässen Ermessen und im Rahmen der gesamten Umstände berücksichtigen. Die «Güte» der Buchführung wird mitunter auch Einfluss haben. Fehlen beispielsweise systematisch Belege, ist die pflichtgemässe Schätzung durch die ESTV nicht ausgeschlossen. Dies kann naturgemäss Einfluss auf die freie Beweiswürdigung von veränderbaren elektronischen Belegen ohne fortgeschrittene elektronische Signatur haben.

 

PDF-Rechnungen im geschäftlichen Alltag

Vermehrt werden im Alltagsgeschäft Rechnungen in Form von PDF-Dokumenten per E-Mail zugestellt. In der Regel wird auf eine digitale Signatur gemäss den vorangehenden Ausführungen verzichtet. Diese Vorgehensweise geht nicht zuletzt auch auf Entwicklungen in der EU zurück, wo die rigiden Vorschriften hinsichtlich Beweiskraft von elektronischen Belegen massgeblich gelockert worden sind.

Die Restrisiken und die möglichen zusätzlichen Kosten, die sich bei einem Verzicht auf die Verwendung fortgeschrittener digitaler Signaturen - beispielsweise für per E-Mail übermittelte PDF-Rechnungen - dürften bei kleineren, einfacheren Verhältnissen überschaubar sein. In einem solchen Fall müssten im Rahmen einer Kontrolle durch die Eidg. Steuerverwaltung allenfalls einzelne elektronische Rechnungen durch den Leistungserbringer zusätzlich bestätigt bzw. validiert werden.

 

Fazit und abschliessende Bemerkungen

Obwohl auf den ersten Blick gesetzliche Erleichterungen hinsichtlich der Anforderungen an elektronische Belege und die elektronische Buchführung bestehen, lohnt sich ein zweiter Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten bezüglich Voraussetzungen zur Anerkennung von Belegen als eindeutiges Beweismittel.

Während in kleineren Verhältnissen, wo wenig PDF-Rechnungen per E-Mail eintreffen, auf zusätzliche technische Massnahmen wie eine digitale Signatur allenfalls verzichtet werden kann, ist im Massengeschäft oder bei grösseren Geschäftsvolumen Vorsicht angebracht. Insbesondere im Hinblick auf die Frage der Qualität des Beweises wie auch der Zusatzkosten. Ferner sollte kein Unternehmen ohne Einverständnis und Aufklärung des Rechnungsempfängers von sich aus PDF-Rechnungsdokumente anstelle von Papierrechnung oder andere elektronische Belege ohne fortgeschrittene Signatur per E-Mail versenden. Dies könnte im Falle einer Revision durch die Eidg. Steuerverwaltung beim Leistungsempfänger zu Problemen mit dem Vorsteuerabzug bzw. in Zusammenhang mit der Frage der Beweiskraft des elektronischen Dokumentes führen. Neben negativen Auswirkungen auf das Image des Leistungserbringers können auch zivilrechtliche Haftungsansprüche nicht ausgeschlossen werden.

 

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[1]      Vgl. Art. 122 MWSTV (Stand 1.1.2018)

[2]     Vgl. Art. 3 GeBüV

[3]     Vgl. Art. 2 Abs. 2 GeBüV

[4]     Ob diese Annahme des Gesetzgebers bei den heutigen Scanning- und Nachbearbeitungsmethoden wirklich zutrifft, darf bezweifelt werden.

[5]     Bei diesen Datenträgern gilt das Prinzip: «Sie können nur einmal beschrieben, aber immer wieder gelesen werden» (write once read many).

[6]     «R» steht für read. D.h. solche Datenträger können im Rahmen des «Normalen» nur gelesen, nicht aber bearbeitet werden.

[7]     Ultra-Density-Optical-Speichermedien sind nur in zwei der drei technischen Varianten unveränderbar, nämlich im Medienmodus "True-Write-Once" (bedeutet einmal beschreibbar und nicht löschbar) und in der Variante "Compliance-Write-Once " (ist einmal beschreibbar, verfügt aber zur gezielten Datenlöschung über eine Scratch-Funktion), nicht aber in der Medienvariante "Rewritable", welche bis zu 10'000 Wiederbeschreibunge ermöglicht.

[8]     Vgl. Art. 9 GeBüV

[9]     Im Rahmen von MWST-Kontrollen wurden durch die Behörden in der Vergangenheit Stichproben von solchen Belegen gemacht und (vergeblich) versucht, sie mit gängigen einfachen Mitteln zu verändern oder zu löschen.

[10]   Vgl. Art. 9 Abs. 1 Bst. b GeBüV: Als weitere Bedingungen müssen drittens die zum Zeitpunkt der Speicherung bestehenden weiteren Vorschriften über den Einsatz der betreffenden technischen Verfahren eingehalten und viertens die Abläufe und Verfahren zu deren Einsatz festgelegt und dokumentiert sowie die entsprechenden Hilfsinformationen (wie Protokolle und Log files) ebenfalls aufbewahrt werden.

[11]   Vgl. Art. 4 GeBüV

[12]   Vgl. Art. 10 GeBüV

[13]   Dies geht u.E. zweifelsfrei aus Art. 3 und 9 der GeBüV hervor.

[14]   Von besonderer Bedeutung für Unternehmen sind die gesetzlich festgelegten Unterschiede zur qualifizierten Signatur. Deren Inhaberin kann ausschliesslich eine natürliche Person sein, und sie ist der eigenhändigen Unterschrift gleichgesetzt. Dies ist bei der fortgeschrittenen Signatur nicht der Fall, was bei ein- oder ausgehenden Rechnungen keine Rolle spielt, da diese im Geschäftsverkehr üblicherweise nicht unterschrieben werden. Wichtig ist dort einzig die Kennzeichnung von Veränderungen des Datensatzes, was genau dem Ziel der fortgeschrittenen digitalen Signatur entspricht.