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Artikel:

Der Vorsorgeauftrag

01. April 2021

Flandrina Helbling-Martin, lic. iur., Rechtsanwältin, Mediatorin UMCH/SDM-FSM, Mitglied Fachgruppe Nachfolge- und Nachlassplanung |
Joshua Imhof, M.A. HSG in Law und Economics, Rechtsanwalt und Notar, Fachgruppe Nachfolge- und Nachlassplanung |
8 min

Mittels Vorsorgeauftrag können Sie Ihre Vertretung im Fall einer Urteilsunfähigkeit regeln. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen rund um die Inkraftsetzung Ihres Vorsorgeauftrages.

 

Das Leben ist nicht erst seit Ausbruch der Coronapandemie unvorhersehbar. Lebenssituationen können sich schnell ändern. Nicht immer ist ein selbständiges Leben bei voller Urteilsfähigkeit bis zum Tod möglich, sondern es kann sich eine kürzere oder längere Phase der Urteilsunfähigkeit dazwischenschieben (z.B. nach Unfall, bei Altersdemenz). Mit einem Vorsorgeauftrag können Sie schon heute für diese Lebensphase vorsorgen und bestimmen, wer sich um Sie und Ihre Angelegenheiten kümmern soll. Damit können Sie auch sicherstellen, dass hierfür kein Ihnen unbekannter Beistand durch die Erwachsenendschutzbehörde (KESB) eingesetzt wird.  

 

Wie packen Sie es an und worauf sollten Sie achten?

Obwohl das Institut des Vorsorgeauftrages einen behördlichen Eingriff gerade verhindern soll, ist eine behördliche Intervention zumindest in einer ersten Phase unvermeidbar. Um Missbräuche möglichst zu verhindern, muss zuerst geprüft werden, ob der Vorsorgeauftrag alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, bevor er offiziell validiert (d.h. für wirksam erklärt) wird. Dies ist Aufgabe der KESB.

 

Sicherstellung der Einreichung des Vorsorgeauftrags

Ein Vorsorgeauftrag nützt nichts, wenn nicht sichergestellt wird, dass er bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit bei der KESB eingereicht wird.

Ausgangspunkt des Validierungsverfahrens ist in der Regel eine schriftliche oder mündliche Gefährdungsmeldung eines Mitbürgers oder einer Behörde an die KESB. Erhält die KESB auf diese Weise Kenntnis von einer möglichen Urteilsunfähigkeit einer Person, wird sie in einem ersten Schritt prüfen, ob die betroffene Person einen Vorsorgeauftrag aufgesetzt hat. Die KESB ist in diesem Zusammenhang gesetzlich verpflichtet, sich beim Zivilstandsamt zu erkundigen, ob die betroffene Person dem Zivilstandsamt das Vorliegen eines Vorsorgeauftrags und dessen Aufbewahrungsort gemeldet hat. Daneben sollte jeder, der von einem Vorsorgeauftrag der urteilsunfähigen Person Kenntnis hat, diesen bei der KESB einreichen.

Findet kein Vorsorgeauftrag auf diese Weise den Weg zur KESB, wird diese ein gewöhnliches Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit von Erwachsenenschutzmassnahmen (insbesondere eine Beistandschaft) einleiten. Kommt ein Vorsorgeauftrag nach Abschluss dieses Verfahrens (z.B. durch das Einsetzen eines Beistands durch die KESB) zum Vorschein, muss das Validierungsverfahren durchlaufen werden und die angeordneten Massnahmen sind gegebenenfalls rückgängig zu machen.  

Stellen Sie daher sicher, dass Ihr Vorsorgeauftrag bei Eintritt Ihrer Urteilsunfähigkeit rechtzeitig der KESB vorgelegt wird. Entweder lassen Sie den Aufbewahrungsort beim Zivilstandsamt Ihres Wohnortes registrieren oder Sie informieren eine nahestehende Person, wo sie Ihren Vorsorgeauftrag findet. In einigen Gemeinden kann der Vorsorgeauftrag auch direkt hinterlegt werden. Wir empfehlen, den Vorsorgeauftrag bei Ihrer Wohnsitzgemeinde zu hinterlegen (falls möglich) bzw. dessen Aufbewahrungsort beim Zivilstandsamt registrieren zu lassen (Aktualisierung der Angaben bei Umzug!), um der KESB die Beschaffung des Vorsorgeauftrages zu erleichtern. Bei Registrierung des Hinterlegungsortes müssen Sie sicherstellen, dass sich ein Original Ihres Vorsorgeauftrags auch tatsächlich am angegebenen Aufbewahrungsort befindet. Einer blossen Kopie fehlt die Rechtsgültigkeit. Sie wird von der KESB nicht berücksichtigt, weil nicht beurteilt werden kann, ob das der Kopie zugrunde liegende Originaldokument noch gilt oder durch Vernichtung widerrufen wurde.

 

Keine Aufnahme eines Vorsorgeauftrags in eine Verfügung von Todes wegen

Teilweise treffen Personen für den Fall ihrer Urteilsunfähigkeit Anordnungen in Testamenten oder Erbverträgen. Davon raten wir dringend ab. Eine solche Verfügung von Todes wegen wird erst eröffnet, wenn eine Person verstirbt. Auch wenn das Testament oder der Erbvertrag bei der Wohnsitzgemeinde hinterlegt wird, bleibt das entsprechende Kuvert bis zum Tod der bzw. des Verfügenden verschlossen. Zu diesem Zeitpunkt ist es aber für die Umsetzung des Vorsorgeauftrags zu spät.

 

Validierung des Vorsorgeauftrags durch die KESB

Hat sich die KESB den Vorsorgeauftrag beschafft, prüft sie insbesondere ob:

  • der Vorsorgeauftrag gültig errichtet worden ist;
  • die auftraggebende Person urteilsunfähig ist;
  • die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist;
  • weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes erforderlich sind;
  • die beauftragte Person den Auftrag angenommen hat.

 

Gültigkeitsvoraussetzungen

Die Gültigkeitsprüfung umfasst zum einen die Prüfung der Einhaltung der Formvorschriften. Der Vorsorgeauftrag muss entweder von Anfang bis Ende von Hand geschrieben oder öffentlich beurkundet sein. Ein Vorsorgeauftrag, den Sie bloss auf Ihrem Computer schreiben, ist ungültig.

Zum anderen prüft die KESB, ob die Auftraggeberin oder der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Errichtung des Vorsorgeauftrages noch urteilsfähig war. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anordnungen Ihrem freien Willen entsprechen. Könnte dies angezweifelt werden, empfiehlt es sich, Ihre Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Vorsorgeauftrages ärztlich attestieren zu lassen und diese Bestätigung mit dem Vorsorgeauftrag aufzubewahren.

 

Wirksamkeitsvoraussetzungen

Der Vorsorgeauftrag findet Anwendung bei Urteilsunfähigkeit, das heisst beim Verlust der Fähigkeit, eine Situation einzuschätzen, gestützt darauf einen Entscheid zu fällen und entsprechend zu handeln. Die Urteilsunfähigkeit festzustellen, ist ausschliesslich Aufgabe der KESB. Dazu wird die KESB in der Regel einen ärztlichen Bericht einholen und die betroffene Person und allenfalls ihre Vertrauenspersonen anhören. Bei den Anhörungen versucht die KESB zu ergründen, ob und wie weit die betroffene Person ihre Aufgaben noch selbständig wahrnehmen kann bzw. inwieweit sie sorgebedürftig ist. Kann sie nur einen Teil ihrer Angelegenheiten nicht mehr allein erledigen, wird die KESB eine teilweise Inkraftsetzung/Validierung des Vorsorgeauftrags vornehmen. In den übrigen Bereichen kann die betroffene Person weiterhin eigenverantwortlich handeln.

Der Vorsorgeauftrag kann seine Wirkung nur für die darin erwähnten Aufgabenbereiche entfalten. Ist ein Aufgabenbereich der oder des Urteilsunfähigen durch den Vorsorgeauftrag nicht abgedeckt, wird er nicht durch die Validierung erfasst und die KESB muss für diesen Bereich bei Bedarf separate Erwachsenenschutzmassnahmen treffen. Dabei kann sie die im Vorsorgeauftrag beauftragte Person auch für diese Aufgaben als Beistand ernennen. Um diese unnötigen Komplikationen zu vermeiden, ist es sehr wichtig, dass der Vorsorgeauftrag möglichst umfassend formuliert ist und alle denkbaren Aufgabenbereiche abdeckt.

Die KESB wird den Vorsorgeauftrag validieren, wenn sie überzeugt ist, dass damit den Interessen der Auftraggeberin bzw. des Auftraggebers Rechnung getragen wird.

 

Eignungsprüfung

Erweist sich ein Vorsorgeauftrag als gültig und wirksam, prüft die KESB weiter, ob die beauftragte Person für die Ausführung des Auftrags geeignet ist. Dazu muss sie fähig sein, die entsprechenden Aufgaben zu erfüllen und die dafür notwendige Zeit aufbringen können. Es ist daher von Vorteil, dies mit der beauftragten Person bereits vor der Errichtung des Vorsorgeauftrags abzuklären.

Zweitens ist zu klären, ob Interessenkonflikte möglich sind, die einer Übernahme des Auftrages entgegenstehen. Umstritten ist, ob ein konkreter Interessenkonflikt gegeben sein muss, damit die KESB an der Eignung einer beauftragten Person zweifeln darf oder ob dafür bereits eine bloss abstrakte, also potenzielle Interessenkollision ausreicht. Folgt man der zweiten Ansicht, müsste eine Interessenkollision bei einem künftigen Erben des Urteilsunfähigen, der mit der Vermögenssorge beauftragt wird, immer bejaht werden. So könnte beispielsweise die Tochter eines Auftraggebers als zukünftige Erbin geneigt sein, einen Teil des Vermögens ihres Vaters für eigene Zwecke abzuzweigen, um weniger mit ihren Miterben teilen zu müssen.

In der Praxis wird die KESB eine differenzierte Betrachtung vornehmen und die Frage stellen, ob der Auftraggeberin bzw. dem Auftraggeber der zu erwartende Interessenkonflikt bekannt war. Ist die Frage zu bejahen, wird die KESB trotz potenzieller Interessenkollision in der Regel nicht an der Eignung der beauftragten Person zweifeln, sondern auf den selbstbestimmten Entscheid der Auftraggeberin bzw. des Auftraggebers abstellen. In der soeben beschriebenen Konstellation dürfte die KESB deshalb zum Ergebnis gelangen, dass dem Auftraggeber beim Einsetzen seiner Tochter als beauftragte Person die potenzielle Interessenkollision im Hinblick auf die erbrechtlichen Ansprüche seiner Erben bekannt war. Es lohnt sich gleichwohl, geeignete Vorkehrungen im Vorsorgeauftrag zu treffen und für den Fall einer Interessenkollision einen Ersatzbeauftragten ausserhalb der Familie vorzusehen.

Von den Interessenkollisionen im Rahmen des Validierungsverfahrens sind jene zu unterscheiden, die nach der Validierung im Rahmen konkreter Rechtsgeschäfte, welche die beauftragte Person für die Auftraggeberin abschliesst, auftreten. Zeichnet sich ein solches Geschäft ab, muss die beauftragte Person die KESB unverzüglich informieren. Für diese Fälle bietet es sich an, im Vorsorgeauftrag die Doppelvertretung und das Selbstkontrahieren explizit zuzulassen. Weiter besteht die Möglichkeit, auch für diesen Fall eine Ersatzperson zu nennen, welche das entsprechende Rechtsgeschäft übernehmen kann.

Routinemässig wird die KESB von der beauftragten Person aktuelle Strafregister- und Betreibungsregisterauszüge einholen. Ein Strafregistereintrag aufgrund eines Vermögensdelikts wird der Übernahme der Vermögenssorge in der Regel entgegenstehen.

 

Prüfung weiterer Erwachsenenschutzmassnahmen

Zeigt sich, dass ein Vorsorgeauftrag zwar validiert werden kann, die Interessen der Auftraggeberin dadurch aber nicht genügend gewahrt werden, kann die KESB zusätzlich Erwachsenenschutzmassnahmen anordnen.

Existieren Zweifel an der Eignung einer beauftragten Person, kann die KESB, anstatt die Validierung zu verweigern, die Validierung erteilen und den Auftrag mit gewissen Weisungen und Auflagen verbinden (z.B. periodische Rechnungsablage).

 

Die Annahme

Die beauftragte Person kann nicht verpflichtet werden, den Auftrag anzunehmen. Die KESB wird bei ihr nachfragen, ob sie den Auftrag annehmen will. Die Annahmeerklärung ist an keine besondere Form gebunden.

Weil das Einverständnis der beauftragten Person erforderlich ist, ist es ratsam, dass Sie, bevor Sie jemanden in Ihrem Vorsorgeauftrag als beauftragte Person vorsehen, mit dieser das Gespräch suchen. Wenn die beauftragte Person ohnehin nicht gewillt ist, den Auftrag anzunehmen, macht es auch keinen Sinn, diese im Vorsorgeauftrag beauftragen zu wollen.

 

Der Entscheid

Das Validierungsverfahren endet mit einer Verfügung der KESB. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, wird der Vorsorgeauftrag für wirksam erklärt (validiert). In der Verfügung werden die Aufgaben und Befugnisse der beauftragten Person definiert. Die KESB händigt der beauftragten Person eine Urkunde aus, mit der sie sich gegenüber Dritten ausweisen kann. Mit dem vorbehaltlosen Validierungsentscheid beschränkt sich die behördliche Mitwirkung auf ihre Aufsichtsfunktion. Sind die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt, wird die Nichtvalidierung in einer Verfügung festgehalten und die KESB entscheidet selber über allenfalls nötige Erwachsenenschutzmassnahmen.

 

Vorkehrungen für die Dauer des Validierungsverfahrens

Zwischen der Gefährdungsmeldung an die KESB und deren Validierungsentscheid können zwei bis drei Monate verstreichen, in denen der Vorsorgeauftrag noch keine Wirkungen entfaltet. Um diese Zeit zu überbrücken, empfiehlt es sich, eine Generalvollmacht auszustellen und separate Bankvollmachten zu erteilen, da die Banken allgemeine Generalvollmachten in der Regel nicht anerkennen.

 

Schlussfolgerung

Auch wenn mit einem Vorsorgeauftrag eine behördliche Massnahme vermieden werden soll, ist ein anfängliches Mitwirken der KESB unumgänglich. Im sogenannten Validierungsverfahren stellt die KESB fest, ob und für welche Aufgabenbereiche der Vorsorgeauftrag für wirksam erklärt werden kann. Um Erwachsenenschutzmassnahmen zu verhindern und eine Umsetzung des Vorsorgeauftrags gemäss Ihren Vorstellungen sicherzustellen, ist die Formulierung des Vorsorgeauftrags sehr wichtig. Gerne unterstützen wir Sie dabei.

 

Jetzt Kontakt aufnehmen

 

Weiterführende Informationen

BDO Newsletter vom April 2020: «Vorsorge - was sollten Sie jetzt regeln?»

BDO Newsletter vom Juni 2011: «Recht interessant: Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung»

Broschüre: «Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung»

 

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