Multinationale Unternehmen: Auf dem Weg zur Harmonisierung der Steuersätze

Die OECD arbeitet intensiv an Lösungen für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft. Sie hat daher ein aus zwei Säulen bestehendes Arbeitsprogramm auf die Beine gestellt.

Säule 1 zielt auf die Reform der Regeln für die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen den verschiedenen Staaten ab (mehr dazu). Säule 2 zielt auf die Einführung eines Mindestsatzes der Gewinnsteuer für multinationale Unternehmensgruppen (MNU-Gruppen) ab. Dies soll verhindern, dass MNU-Gruppen Gewinne in Länder mit keinen oder sehr niedrigen Steuersätzen transferieren (GloBE-Vorschlag).

Die Phase der öffentlichen Konsultation zu Säule 2 läuft derzeit; am 9. Dezember 2019 findet in Paris eine Sitzung zu diesem Thema statt.

Im Zusammenhang mit dem GloBE-Vorschlag ergeben sich mehrere technische Fragen. Beispielsweise hinsichtlich der Verwendung von Jahresabschlüssen auf der Grundlage einer gemeinsamen Norm zur einheitlichen Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage. Unklarheit besteht aktuell auch in Bezug auf die Möglichkeit für MNU-Gruppen, hoch besteuerte Einkünfte und niedriger besteuerte Einkünfte je nach Staat, in dem diese Gruppen tätig sind, zu kombinieren (Blending). Weitere Fragen betreffen die Einführung möglicher Ausnahmen und/oder Schwellenwerte, um den GloBE-Vorschlag auf MNU zu konzentrieren, die nur in bestimmten Wirtschaftssektoren tätig sind.

Sobald diese technischen Aspekte jedoch geklärt sind, muss sich die OECD mit der Hauptfrage befassen: Wie hoch sollte der Mindeststeuersatz auf die Gewinne dieser MNU-Gruppen sein? Eine überaus politische Frage…

Auf globaler Ebene wäre die Festlegung eines solchen Mindestsatzes ein absolutes Novum. Sie würde Staaten mit einem niedrigeren Satz de facto zu einer Steuererhöhung zwingen. Wenn einige dieser Staaten ihre Steuern nicht erhöhen wollen, müssten sie zugeben, dass ihre steuerpflichtigen MNU in anderen Staaten höhere Steuern zahlen. Das wäre der Anfang vom Ende des internationalen Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten. Doch dies ist nicht zwingend so. Tatsächlich werden sich mehrere Staaten nie an diesen Mindestsatz anpassen können, solange er relativ tief ist – zum Beispiel in der Grössenordnung von 15%.
 

Und was ist mit der Schweiz?

Die Vertreter unseres Landes beteiligen sich aktiv an den Diskussionen innerhalb der OECD. Wenn der GloBE-Vorschlag erfolgreich wäre und ein Mindeststeuersatz entstehen würde, der über dem aktuellen Körperschaftsteuersatz in der Schweiz liegt, würde die Schweiz meiner Meinung nach nicht unbedingt verlieren. Dies, sofern alle Staaten verpflichtet sind, diesen Mindeststeuersatz anzuwenden bzw. alle MNU mit dem gleichen Satz besteuert werden. Tatsächlich hätten Unternehmen mit Sitz oder effektiver Geschäftsführung in der Schweiz noch weniger Anreize, unser Land zu verlassen. Wo immer sie sich niederlassen, würden sie mindestens einen Steuersatz ähnlich jenem in der Schweizer zahlen.
 

Wie hoch sind die Erfolgsaussichten dieser Säule 2?

Ich habe den Eindruck, dass die internationale Gemeinschaft den übermässigen Gewinnübertragungen in Länder, die Gewinne nicht oder nur (zu) gering besteuern, ein Ende setzen will. Säule 2 wie auch Säule 1 werden also zu einem konkreten Ergebnis führen, das für die Staaten verbindlich ist. Ich wünsche den Delegierten, die sich mit diesem Thema befassen, viel Glück. Es ist gut möglich, dass der gemeinsame Nenner doch etwas weiter von den ursprünglichen Zielen der OECD entfernt liegt.

Es wäre dennoch interessant festzustellen, dass es bei einem Erfolg der Säule 2 einfacher ist, die Mindeststeuersätze weltweit zu harmonisieren als auf Schweizer Ebene...