Sollte die Erbschaftssteuer reformiert werden, um Ungleichheiten zu verringern?

Abgesehen von der Sonne, den Stränden und den Drinks ist der Sommer auch eine Zeit der Entspannung und Entschleunigung. Die Fluten von E-Mails werden zu einem Rinnsal, und wir nutzen die Zeit, um oft nicht nur unterhaltsame Bücher zu lesen, sondern zuweilen auch Fachliteratur, die schon länger in einer Ecke unseres Schreibtischs – oder Desktops – schlummerte.

So habe ich zum Beispiel gerade eine interessante Broschüre mit dem Titel «Inheritance Taxation in OECD Countries» durchgeblättert, die im Mai 2021 veröffentlicht wurde.

Die Broschüre fasst die wesentlichen Ergebnisse eines OECD-Berichts mit demselben Titel zusammen und zeigt, dass die Erbschaftssteuer eine wichtige Rolle bei der Erhöhung der öffentlichen Einnahmen, der Verringerung von Ungleichheiten und der Steigerung der Effizienz der Steuersysteme in den OECD-Ländern spielen könnte.

Interessant ist, dass in der Schweiz nur etwa 13 Prozent aller Erbschaften der Erbschaftssteuer unterliegen, vor allem im Kanton Zürich. Die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer machten 2019 in der Schweiz nur etwas mehr als 0,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus, also einen verschwindend geringen Anteil. Selbst in Spitzenländern wie Japan, Frankreich, Belgien oder Südkorea sind es nicht mehr als 1,5 Prozent.

Schliesslich wird berichtet, dass die reichsten 20 Prozent der Haushalte fast 50-mal so viele Erbschaften und Schenkungen erhalten wie die ärmsten 20 Prozent. Mit anderen Worten: Die Weitergabe von Vermögen konzentriert sich eher auf die Bessergestellten, als dass sie sich gleichmässig auf alle Bevölkerungsschichten verteilen würde.

Die OECD legt daher eine Reihe von Empfehlungen und Reformvorschlägen zur Verbesserung der Struktur und Funktionsweise der Erbschaftsteuer vor. Dazu gehören die Senkung der Freibetragsgrenzen, die Einführung progressiver Steuertarife und die Begrenzung von Steuerbefreiungen und -erleichterungen, was für die Erhöhung der Steuereinnahmen, aber auch für die Verbesserung der Effizienz und der Gerechtigkeit der Erbschafts- und Schenkungssteuer unerlässlich wäre.

Werden die OECD-Länder daher schon bald eine Initiative zur Stärkung der Erbschaftssteuer starten, um ihre Steuereinnahmen zu erhöhen und den Wohlstand besser unter der Bevölkerung dieser Länder zu verteilen?

Man darf auf das Ende der Parlamentsferien gespannt sein, um zu erfahren, ob dieser OECD-Bericht auch unsere Bundesparlamentarier während des Sommers inspiriert hat.

Und wo wir schon über den Abbau von Ungleichheiten reden, möchte ich gerne noch an den 26. September erinnern, wenn über die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», auch bekannt als 99%-Initiative, abgestimmt wird.

Aber darauf werden wir in einem späteren Blog noch zu sprechen kommen.

Bis dahin, eine schöne Ferienlektüre!

 

Erbschaftssteuer in den OECD-Ländern (Inheritance Taxation in OECD Countries) | en | OECD (oecd.org)
Abstimmungsvorlagen für den 26. September 2021 (admin.ch)